Elektroautos verlieren bei Frost oft bis zur Hälfte ihrer Reichweite – doch das könnte bald vorbei sein. Der chinesische Batteriehersteller CATL testet jetzt eine neue Zellgeneration, die selbst bei −30 °C kaum Leistung einbüßt. Die Technologie könnte Europas Wintermärkte revolutionieren.
CATL testet Batteriechemie für –30 °C – Serie 2026 geplant.
Der Hintergrund: Warum Kälte ein Batterie-Killer ist
Jeder Elektroautofahrer kennt das Phänomen: Sinkt das Thermometer, sinkt auch die Reichweite. Verantwortlich sind physikalische Prozesse im Inneren der Zelle – vor allem die verringerte Beweglichkeit der Lithium-Ionen im Elektrolyten. Schon bei null Grad Celsius verlangsamt sich der Ionentransport so stark, dass Spannung und Leistung spürbar abfallen.
CATL, weltweit führend bei Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP), arbeitet seit Jahren an einer Lösung. Das Ziel: eine Batterie, die auch in arktischen Regionen, im Hochgebirge oder auf deutschen Winterautobahnen zuverlässig arbeitet – ohne Zusatzheizung oder hohe Vorkonditionierungskosten.
Der Durchbruch: 85 % Leistungsfähigkeit bei −30 °C
Nun meldet CATL konkrete Testergebnisse aus der nordchinesischen Provinz Heilongjiang: In einem speziell isolierten Prüfzentrum wurden mehrere Hundert Zellen unter realen Winterbedingungen getestet. Das Ergebnis:
Die neue „Arctic-LFP-Zelle“ liefert noch 85 % ihrer Nennleistung bei −30 °C, während herkömmliche LFP-Zellen unter denselben Bedingungen auf unter 40 % abfallen.
Ermöglicht wird dies durch eine neue Elektrolytformulierung, die auf einer Mischung organischer Carbonate und spezieller Additive basiert. Diese Additive verhindern das Auskristallisieren bei Kälte und erhöhen gleichzeitig die Ionendurchlässigkeit.
Eine zweite Innovation betrifft die Anodenstruktur: Hier setzt CATL auf eine modifizierte Graphit-Silizium-Kombination mit mikrostrukturierten Poren, die sich bei Temperaturschwankungen weniger stark ausdehnen. Dadurch bleibt die innere Zellstruktur stabil – auch nach wiederholten Frostzyklen.
Reichweite und Ladeverhalten im Kältetest
Bei praktischen Fahrzyklen mit 60-kWh-Packs zeigte sich: Fahrzeuge, die mit den neuen Zellen bestückt waren, erreichten bei −20 °C eine reale Reichweite von über 430 km – rund 35 % mehr als heutige LFP-Fahrzeuge vergleichbarer Größe.
Auch das Ladeverhalten verbessert sich deutlich: Während viele Akkus bei Frost nur mit 20 – 30 kW DC geladen werden können, erlaubt die neue Zellchemie bis zu 90 kW, ohne dass die Kathode Schaden nimmt. CATL nutzt hierzu eine präzise Vorerwärmungsstrategie über interne Widerstände, die lediglich 2–3 % Energieverlust verursacht.
Damit wird Schnellladen im Winter erstmals praxistauglich – ein zentraler Faktor für Märkte wie Deutschland, Skandinavien oder die Alpenregion.
Serienproduktion und Zeithorizont
Die neue Technologie befindet sich derzeit im „Engineering Verification Test“ (EVT). Die Pilotproduktion in Ningde soll im zweiten Quartal 2026 starten. Erste Anwendungen werden in Elektro-Bussen, Lieferflotten und SUVs der Oberklasse erwartet – also in Segmenten, bei denen niedrige Betriebstemperaturen besonders kritisch sind.
CATL hat parallel angekündigt, die chemische Rezeptur lizenzfrei für Partnerprojekte mit Zell-Joint-Ventures freizugeben. Das könnte die Technologie rasch global verbreiten.
In Europa sind besonders Märkte mit langen Wintern – wie Norwegen, Schweden, Finnland, Österreich und Süddeutschland – die ersten Zielregionen.
Relevanz für Deutschland und Europa
Für Deutschland bedeutet die Entwicklung weit mehr als ein technisches Detail: Sie könnte den strategischen Nachteil der LFP-Chemie im Winter vollständig eliminieren. Hersteller, die bisher auf teurere NMC- oder NCA-Zellen setzen mussten, könnten so künftig kostengünstigere, sicherere und langlebigere Batterien verbauen – ohne Reichweitenverlust bei Frost.
Zudem eröffnet die Technologie neue Perspektiven für stationäre Energiespeicher, die im Freien installiert sind. Hier verursachen Heizsysteme bislang erhebliche Zusatzkosten; diese könnten künftig entfallen.
Ausblick: Integration in zukünftige Plattformen
Interne Dokumente deuten darauf hin, dass CATL die Kälte-Zellen als Teil einer neuen Plattformfamilie einführen will:
-
„Qilin 2 Arctic“ für E-Autos
-
„EnerOne+“ für stationäre Speicher
-
„IceFlex“ für Nutzfahrzeuge
Damit zeigt sich, dass CATL strategisch nicht nur auf mehr Energiedichte, sondern auf funktionale Robustheit setzt – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, wenn Batterien weltweit universell eingesetzt werden sollen.
Fazit: Ein echter Wendepunkt für Winter-E-Mobilität
Sollten sich die Testergebnisse in der Serie bestätigen, könnte die „Arctic-LFP“ den Markt umkrempeln. Fahrzeuge würden sich auch im Winter kalkulierbarer verhalten, Flottenmanager könnten präziser planen, und der psychologische Reichweiten-Stress bei Frost würde verschwinden.
Europa – bislang eher „Temperatur-Problemzone“ für LFP – könnte so zum bevorzugten Absatzgebiet werden. Besonders interessant: CATL liefert schon heute Zellen an Marken wie Zeekr, Leapmotor, Smart und BYD – alle mit wachsender Präsenz in Deutschland. Eine schnelle Integration ist also realistisch.